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Die Oktaedergruppe Oh und Oktaeder-Geometrie
Es gibt hier ganze Klassen von Molekülen und Ionen, die die Geometrie
eines regulären Oktaeders aufspannen.
1. Urbeispiel ist das SF6. Dazu kommen die zu SF6
isoelektronischen Ionen vom [AlF6]3- im Kryolith bis
zum [ClF6]+.
2. Diamagnetische d6-Komplexe wie [Fe(CN)6]4-
im gelben Blutlaugensalz, [PtCl6]2- und
Cr(CO)6 haben perfekte Oktaeder-Symmetrie. Jedes dieser Beispiele
steht für eine große Anzahl isoelektronischer und isostruktureller Spezies.
3. Regulär oktaedrisch sind auch d3-, d5- und
d8-Komplexe wie [CrF6]3-,
[FeF6]3- und [CuF6]3-.
Anmerkung: Die Spezifizierung der Elektronenkonfiguration bei den Komplexen
ist wesentlich. Oktaedrische Komplexe der meisten anderen
Elektronenkonfigurationen zeigen geringe (paramagnetische dn-Konfigurationen mit
n = 1, 2, 6 und 7) oder starke Abweichungen (paramagnetische dn-Konfigurationen mit
n = 4 oder 9) von einer Oh-Geometrie.
Die Oktaedergruppe Oh und der Würfel
Die Geometrie des Würfels sucht man in der Welt der Moleküle
weitgehend vergeblich. Komplexe mit Koordinationszahl 8 weichen in andere
Geometrien aus, die eine geringere Ligand-Ligand-Abstoßung aufweisen.
Und doch hat die organische Chemie ein schönes Beispiel: den
gespannten Kohlenwasserstoff Cuban C8H8.
Die Tetraedergruppe Td
1. Die Geometrie des regulären Tetraeders findet man bei den
Molekülen des weißen Phosphors P4, des Methans
CH4, des Osmiumtetroxids OsO4 und des
Tetracarbonylnickels Ni(CO)4.
2. Ebenfalls zur Punktgruppe Td gehören einige der
gängigsten Ionen: das Ammonium-Ion NH4+, das
Sulfat-Ion SO42-, das
Tetrafluoroborat-Ion BF4- und das Permanganat-Ion
MnO4-.
3. Regulär tetraedrisch sind einige Komplex-Ionen der
dn-Konfigurationen mit n = 0, 2, 5, 7, und 10 wie z.B.
[FeCl4]-, [CoCl4]2- und
[ZnCl4]2-.
Die Tetraedergruppe Th
Bei der Symmetrie Th gibt es kein hilfreiches Polyeder,
welches unsere Anschauung unterstützt. Die Tetraedergruppe
Th ist eine Untergruppe der Oktaedergruppe
Oh, die man erhält, indem man die vierzähligen
Drehachsen auf Zweizähligkeit reduziert. Dem entsprechend findet man
diese Punktgruppe bei bestimmten d6-Komplexen mit oktaedrischer
Koordination wie z.B. beim Hexanitrocobaltat(III)-Ion
[Co(NO2)6]3-. Andere geeignete planare
Liganden sind das Pyridin C5H5N und das homologe
Phosphabenzol C5H5P.
Die Ikosaedergruppe Ih und die Ikosaeder-Geometrie
Die ikosaedrische Geometrie ist ein häufiges Strukturmotiv bei den
Käfigverbindungen des Bors. Urbeispiel ist das leicht zugängliche
und robuste closo-Dodekahydridododekaborat-Ion
B12H122-. Verbindungen dieser Art werden
intensiv studiert mit dem Ziel, eine Krebstherapie mit Neutronenstrahlen zu
entwickeln.
Die Ikosaedergruppe Ih und die Pentagondodekaeder-Geometrie
Weitaus spezieller ist die Pentagondodekaeder-Geometrie. Mit dem Kohlenwasserstoff
Dodekahedran C20H20 ist das Pentagondodekaeder in
aufwendigen Synthesen nachgebaut worden.
Warum gerade diese Polyederstrukturen?
Es hat Sie sicher verwundert, warum mal Kohlenwasserstoffe, mal Bor- und mal
Phosphor-Verbindungen als Beispiele angegeben wurden. Bei
polyedrischen Strukturen unterscheidet man zwischen Gerüstbindungen (oder
endopolyedrischen Bindungen) und peripheren (oder
exopolyedrischen)
Bindungen.
1. Beim Tetraeder, Würfel und Pentagondodekaeder gehen von
jeder Ecke drei Kanten aus. In den entsprechenden Molekülen muss jedes
Gerüstatom drei Gerüstbindungen ausbilden können. Das
geht ideal mit C–H-Fragmenten und gibt die Beispiele Tetrahedran
C4H4 [nur als Tetrakis(tert-butyl)-Derivat
C4[C(CH3)3]4 bekannt], Cuban
C8H8 und Dodekahedran C20H20.
Ecken aus N- oder P-Atomen können ebenfalls drei Gerüstbindungen
machen. Das Molekül des weißen Phosphors ist hier das beste
Beispiel. Komplexfragmente mit 15 Valenzelektronen werden in der Regel mit
drei weiteren Bindungen zur vollen Valenzschale von 18 Valenzelektronen
kommen und finden sich in vielen tetraedrischen Strukturen, z.B. in
[Ir(CO)3]4 = Ir4(CO)12
(Punktgruppe Td) oder in
(CH)2[Co(CO)3]2 (tetraedrisches
Gerüst, Punktgruppe C2v).
2. Beim Oktaeder und beim Ikosaeder müssen von jeder Ecke vier bzw.
fünf Gerüstbindungen ausgehen. Das kann man mit B–H-Fragmenten
realisieren, weil das Bor-Atom zur Ausbildung wenig lokalisierter Kovalenzen
neigt. Das führt uns zu Beispielen wie dem oktaedrischen
[B6H6]2--Ion und dem ikosaedrischen
[B12H12]2--Ion. Mit C–H-Fragmenten ist
das Gleiche nur in geringem Umfang möglich. Immerhin gibt es zu den
polyedrischen Polyboraten entsprechende, isoelektronische Carborane (oder
Carbaborane) wie C2B4H6 (zwei Isomere) und
C2B10H12 (drei Isomere). Auch kann man
B–H-Fragmente durch Komplexfragmente mit 14 Valenzelektronen ersetzen
und erhält so einen ganzen Zoo von polyedrischen Komplexen, in dem z.B.
der ikosaedrische Komplex
(C2B9H11)Fe(CO)3 seinen Platz
hat.
3. Polyedrische Verbindungen werden in der Hauptgruppen-Chemie oft als
Käfig-Verbindungen bezeichnet. In der Nebengruppen-Chemie spricht man
häfig (gut deutsch) von Clustern. Diese weiteren Bezeichnungen haben
aber nicht ein völlig gleiches Bedeutungsfeld.
4. Was die stoffliche Seite vieler unserer Beispiele anbelangt, raten wir, in
dem ausgezeichneten Lehrbuch
"Anorganische Chemie"
von J. E. Huheey, E. A. Keiter und R. L. Keiter
zu stöbern.